Vom 17. -19. Oktober 2024 fand das erste International One Health Symposium organisiert von der One Health Platform in Berlin statt. Die Veranstaltung bot vorrangig der Wissenschaft eine Bühne, um ihre Forschungsergebnisse aus den zahlreichen Themenbereichen von One Health vorzustellen und zu diskutieren. Auch wenn noch nicht alle Bereiche von One Health vollumfänglich abgebildet werden konnten, war die Veranstaltung mit ihren über 350 Teilnehmenden ein erster erfolgreicher Schritt hin zu einer lebendigen und diversen One Health Forschungscommunity in Deutschland.
Für viele Herausforderungen unserer Zeit braucht es interdisziplinäre Lösungsansätze um nachhaltige Erfolge erzielen zu können. Dies betrifft auch Gesundheitsfragen. Der One Health Ansatz ist ein vereinender Ansatz, der den Zusammenhang der Gesundheit von Menschen, Tieren, Pflanzen und Ökosystemen anerkennt und bestrebt ist, diese ins Gleichgewicht zu bringen. Damit eröffnet er viele Möglichkeiten, stellt aber gleichzeitig besondere Anforderungen an beispielsweise die Wissenschaft, da hier eine disziplinübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Humanmedizin, Veterinärmedizin und Umweltwissenschaften, notwendig wird. Eine Bühne für einen solchen fachübergreifenden Austausch und interdisziplinäre Forschungsprojekte bietet das 2024 erstmalig ausgerichtete International One Health Symposium.
Bekenntnis zu One Health aus Politik und Wissenschaft
Bei der Eröffnung des Symposiums wurde deutlich, dass es auf politischer Seite in Deutschland ein Bekenntnis zu One Health gibt. Dies zeigte das Grußwort von Andrea Spelberg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, welches sie stellvertretend für sechs deutsche Ministerien hielt (BMBF, BMEL, BMG, BMVg, BMUV, BMZ). Ausrichterin des Symposiums ist die One Health Platform (OHP), ein BMBF gefördertes Projekt der Universität Münster, des Friedrich-Loeffler-Instituts und des Helmholtz-Instituts für One Health. Stellvertretend für die OHP eröffneten Stephan Ludwig und Fabian Leendertz die Veranstaltung, wobei sie sowohl den langen bereits zurückgelegten Weg, der 2009 mit der Zoonosenplattform begann, beleuchteten, als auch den zukünftigen Weg der One Health Platform skizzierten. Die Begrüßung wurde mit einem wichtigen Appell für funktionierende Zusammenarbeit beschlossen: “Lassen Sie Ihr Ego vor der Tür und respektieren Sie die Arbeits- und Sichtweisen anderer Disziplinen.“
Die Landwirtschaft als Teil der Lösung
Highlights des Symposiums waren neben den zahlreichen Vorträgen und Postern die Keynotes. Diese thematisierten beispielsweise die Zusammenhänge von landwirtschaftlichen Pestiziden und dem Auftreten von Zoonosen, wie der Bilharziose (Schistosomiasis). Als Lösungsansätze schlug Matthias Liess (UFZ) hierzu beispielsweise die Verwendung von weniger und schneller abbaubaren Pestiziden, Ökolandbau oder größere Pufferzonen in Form von Blühstreifen vor. Lutz Merbold (Agroscope) stellte in seiner Keynote das Konzept der Agrarökologie vor. Es handelt sich hierbei um einen ganzheitlichen Ansatz, der durch die Einbeziehung von sozialen und ökologischen Konzepten bestrebt ist, nachhaltige Landwirtschafts- und Ernährungssysteme zu schaffen. Um die Leistungsfähigkeit solcher agrarökologischen Systeme zu bewerten, wurde das Bewertungsinstrument TAPE entwickelt. Dieses findet bereits Anwendung in der Schweiz und in Kenia und erlaube eine kontinuierliche Anpassung bestehender Agrarsysteme an agrarökologische Standards.
Ein anderes Thema adressierte Simone Sommer (Universität Ulm) in ihrer Keynote. Sie ging auf die Auswirkungen von anthropogenen Stressoren (Landnutzungsveränderungen, Umweltverschmutzung, Klimawandel) auf das Mikrobiom und schlussendlich auf die Gesundheit von Wildtieren ein. Ihre Forschungsdaten zeigen eindringlich, wie ein durch Umwelteinflüsse gestörtes Mikrobiom die Anfälligkeit und die Verbreitung von Krankheitserregern verändern kann.
Prävention statt Reaktion
Studien, welche Umwelt und Gesundheit eindeutig miteinander verknüpfen, seien laut James Hassell (Yale/ Smithsonian) noch nicht im ausreichenden Maße vorhanden, was wiederum die langfristige Finanzierung von One Health Maßnahmen erschwere. Aktuell gebe es eine Fehlausrichtung bei der Finanzierung von Lösungsansätzen, da beispielsweise viel Geld in die Behandlung von Krankheiten fließe, aber wenig in die Prävention. Ziel müsse es langfristig sein, eine Ausrichtung globaler Finanzen auf positive Ergebnisse für Gesundheit und Natur zu erreichen.
Dass Prävention kostengünstiger als die Reaktion auf Gesundheitskrisen sei, betonte auch Chadia Wannous, welche die One Health Aktivitäten der World Organisation for Animal Health (WOAH) vorstellte. Sie plädierte daher dafür, dass mehr Investitionen in Präventionsmaßnahmen und One Health Aktivitäten fließen sollten. Hier seien insbesondere die reichen Industrieländer durch die Beachtung des One Health-Ansatzes im Rahmen ihrer Handels- und Wirtschaftstätigkeiten gefragt.
Langfristige Ansätze fördern
Dass One Health-Forschung am sinnvollsten sei, wenn sie langfristig angelegt werde, erörterte Fabian Leendertz. Eine wichtige Aufgabe sei es Tier-, Umwelt- und Menschendaten zusammenbringen. Insbesondere bei der Erhebung von Umweltdaten seien längere Zeiträume notwendig, um sinnvolle Aussagen treffen zu können. Zudem plädierte er dafür, langfristige internationale Kollaborationen aufzubauen, um eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu ermöglichen und die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte aus Ländern mit geringerer Wirtschaftsleistung zu vermeiden. Zum Schluss gab er den Zuschauern noch etwas zum Nachdenken mit auf den Weg: die Transmission von Erkrankungen erfolge nicht nur von Wildtieren auf Menschen, sondern könne auch andersherum stattfinden. Ein wichtiger Punkt, wenn man den One Health Ansatz ernst nimmt und die anthropozentrische Sicht auf Gesundheit ablegt.
Investition in die Zukunft von One Health
Ein wichtiger Baustein für langfristige Ansätze ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Dieser bekam beim Posterslam die Möglichkeit die eigenen Forschungsarbeiten auf großer Bühne zu präsentierten. Die besten drei Beiträge wurden ausgezeichnet. Der erste Preis ging 2024 an Annika Fischer von der FU Berlin für ihr Poster, das sich mit der Verwendung von Neurosphären zur Erforschung der Folgen einer Listerieninfektion auf die Gehirnentwicklung beschäftigt (weitere Infos zum Posterpreis). Zudem konnten sich junge Wissenschaftler:innen beim One Health Career get-together mit karriereälteren Kolleg:innen zu deren Werdegang und Forschung austauschen (OHCgt Nachbericht).
Nutzen und Herausforderungen für Politik und Wissenschaft
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „One Health - Herausforderungen und Chancen für Deutschland“ kamen vier Ministerien (BMBF, BMEL, BMG, BMUV) und drei Forschungseinrichtungen (FLI, RKI, TiHo) auf der Bühne zusammen und stellten jeweils ihre Standpunkte dar. Dabei ging es sowohl um Anwendungsbeispiele für das One Health Konzept als auch um dessen Grenzen und Herausforderungen. Letztere wurden beispielsweise für das Zusammenbringen von Daten für eine gemeinsame One Health Surveillance gesehen, aber auch bei der Überwindung von Ziel- und Zuständigkeitskonflikten. Es wurden politische Strategien zur Umsetzung von One Health diskutiert und dessen Mehrwert/ Nutzen für Politik und Wissenschaft. Einig war man sich darin, dass der Kommunikationsfluss innerhalb und zwischen den Ressorts verbessert werden sollte, indem man Kommunikationskanäle etabliere. Zudem würden langfristige Zielsetzungen sowohl in den Ministerien als auch in den Ressortforschungseinrichtungen helfen, die Leitplanken für erfolgreiche One Health Projekte zu setzen. Langfristig biete One Health die Möglichkeit Ressourcen zu schonen und nachhaltigen Gesundheitsschutz zu betreiben.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Für die Umsetzung von One Health braucht es je nach Themengebiet zahlreiche mitwirkende Akteure. Die ganze Fülle der Disziplinen konnte bei dem ersten Symposium noch nicht abgebildet werden, aber Martin Groschup zeigte sich bei den Schlussworten zur Veranstaltung begeistert über den bereits stattgefundenen Austausch und blickte positiv in die Zukunft. Da hier tatsächlich Neuland betreten und etwas wirklich Innovatives begonnen worden sei, sollte man sich zunächst auf kleinere Schritte konzentrieren. Durch die bereits im Rahmen der Zoonosenplattform erprobte Struktur und Abläufe sei man aber gerade auch im internationalen Vergleich sehr weit. Es gehe nun darum, die Plattform so auszurichten, dass die ursprüngliche Community und Themen nicht verloren gehen und gleichzeitig die Umweltwissenschaften eingebunden werden.
Insgesamt zeigte die Veranstaltung, dass der One Health Ansatz bereits in vielen Bereichen Anklang gefunden hat. Oft hapert es jedoch noch an einer konsequenten Umsetzung, insbesondere wenn rivalisierende Zuständigkeiten und Interessen aufeinanderstoßen. Auf der Konferenz wurden zahlreiche Projekte vorgestellt, in denen der One Health Ansatz bereits verfolgt wurde und Früchte getragen hat. Dies auszuweiten und Forschungsergebnisse in die Anwendung zu bringen, wird eine wichtige Aufgabe in den kommenden Jahren sein. Die Politik kann die Forschung dabei durch langfristige Zielsetzungen und ressortübergreifende Abstimmungsprozesse bei Fördermaßnahmen unterstützen.