Die aviäre Influenza stellt primär eine Gefahr für die Gesundheit von Vögeln da. Doch die jüngste globale Verbreitung des H5N1 Virus zeigt nicht nur die große Gefahr für Nutz- und Wildgeflügel, sondern auch die hohe Anpassungsfähigkeit des Virus an neue Spezies. Der gemeinsame Workshop der One Health Platform und der Akademie für öffentliches Gesundheitswesen in Düsseldorf am 20.11.24 widmete sich daher der Bedeutung der aviären Influenza im One Health Kontext.
Influenzaviren – die Anpassungskünstler
Eine Einleitung in das Thema gab Professor Stephan Ludwig, der mit seinem Team am Institut für Virologie der Universität Münster Influenzaviren erforscht. Eine besondere Bedeutung für die Evolution und die Pathogenität von Influenzaviren habe ihr segmentiertes Genom. Dieses ermöglicht einen Antigenshift: durch die gleichzeitige Infektion einer Zelle mit zwei unterschiedlichen Influenzaviren kann es zum Transfer einzelner Gensegmente kommen. Dadurch entsteht eine Reassortante, was zum plötzlichen Auftauchen neuer Varianten mit veränderten Epitopen auf der Virusoberfläche führen kann. Diese Fähigkeit trägt dazu bei, dass Influenzaviren über ein sehr breites Wirtsspektrum verfügen.
H5N1 – ein Virus mit globaler Bedeutung
Die aviäre Influenza (AI), im speziellen die hochpathogene AI (HPAI), war lange Zeit primär ein Problem für Vögel. Doch 1997 wurde eine erste humane Infektion mit H5N1 auf einem Wildtiermarkt in Hongkong nachgewiesen. Das Virus konnte sich global über die Vogelflugrouten verbreiten. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu regionalen H5N1 Ausbrüchen mit sporadischen humanen Fällen. Zudem kam es zu verschiedenen Reassortierungen mit anderen aviären Influenzaviren. Seit 2021 ist eine Panzootie in Wild- und Hausgeflügel zu beobachten (siehe Podcastfolge: Siegeszug der Vogelgrippe). Zudem konnte das Virus bei 48 verschiedenen Säugetierarten in 26 Ländern nachgewiesen werden. In 2022 wurde dann auch der erste humane Fall mit der H5N1 Virusvariante gemeldet. Seit 2024 trat das Virus dann bei Milchkühen in den USA auf. Der Ausbruch geht einher mit Humaninfektionen und mit Rückinfektionen auf Vögel und Kleinsäuger in der Umgebung und konnte bis heute (Stand November 2024) nicht eingedämmt werden.
Über die Gefahr für den Menschen durch H5N1 sind die Experten indes uneins. Auf der einen Seite sind die Symptome und die Fallzahlen beim Menschen bisher gering. Auf der anderen Seite zirkuliert das Virus mittlerweile weltweit und hat es geschafft, zahlreiche Säugetierspezies zu infizieren. Demnach sei eine genaue Beobachtung der aktuellen Lage absolut angezeigt, schloss Stephan Ludwig seinen kurzen Überblicksvortrag.
H5N1 in Wildvögeln
Für Wildvögel stellt sich Situation anders da, denn die geographische Ausdehnung von H5N1 stellt eine akute Bedrohung für einige Vogelarten dar, wie Ulrich Knief von der Universität Freiburg in seinem Vortrag verdeutlichte. Allerdings ist die Datenlage zu Wildtieren, insbesondere bei quantitativen Daten, im Gegensatz zu Nutztieren eher schlecht. Es ist daher unbekannt wie viele Wildtiere wirklich von der aktuellen H5N1 Ausbreitung betroffen sind. Klar ist aber, dass sich das Wirtsspektrum ab 2022 verändert hat, da sich die Saisonalität des Viruses, welches vorher eher in den Wintermonaten auftrat, verändert hat. Daher kommt es nun auch Ausbrüchen in den Brutmonaten, wobei Brutkolonien ideale Bedingungen für das Virus bieten.
Exemplarisch konnte Dr. Knief dies mit Kolleg:innen am Beispiel der Brandseeschwalbe untersuchen. Diese Vögel weisen gleich zwei Risikofaktoren für eine Virusinfektion auf: sie bilden große, dichte Kolonien und sie zeigen eine hohe Mobilität innerhalb und zwischen der Brutsaison. In Europa gibt es nur 67 Brutkolonien mit entsprechend guter Datenlage. Eine Sammlung quantitativer Daten zeigte eine hohe Mortalität bei den Brutvögel und den Küken in 2022. Dies war gepaart mit vielen Totfunden in den Wintermonaten in Afrika und Sekundärinfektionen bei Jagdvögeln in der Umgebung der Brutkolonien. In 2023 waren die Brutpaare um 22% im Vergleich zum Vorjahr zurück gegangen. Allerdings verstarben in dem Jahr weniger Altvögel, während die Mortalität bei den Küken weiterhin hoch blieb. In 2024 konnten keine Ausbrüche mehr detektiert werden. Zum einen scheint eine Verringerung der Viruslast durch das frühe absammeln toter Tiere in betroffenen Kolonien dazu beigetragen zu haben, die Überlebenswahrscheinlichkeit der anderen Vögel zu erhöhen. Zum anderen scheint sich bei den Brandseeschwalben eine gewisse Immunität gegenüber dem H5N1 Virus aufgebaut zu haben und nur noch eine selektive Mortalität bei alten Vögeln aufzutreten.
Allgemein lässt sich zu der Situation von HPAIV bei Wildvogelpopulationen sagen, dass der Grad der Betroffenheit stark zwischen den Arten variiert. Zukünftig braucht es sowohl qualitative als auch quantitative Daten um Ausbruchgeschehen interpretierbar und vorhersagbarer zu machen. Dazu müsse unter anderem die aktive Surveillance bei Wildtieren und die Vernetzung von Veterinären und Freilandornithologen verbessert werden.
One Health Initiativen zu zoonotischer Influenza
Die zoonotische Influenza wird als ein wichtiges Gesundheitsthema gesehen. Dies zeigen zahlreiche globale und europäische Initiativen, die sich mit diesem Thema im One Health Kontext befassen. Einen Überblick darüber gab Dr. Cornelia Adlhoch. So umfasst die Adaptation des One Health Joint Plant of Action (OHJPA) der Quadripartite (FAO, ENEP, WHO, WOAH) für Europa beispielsweise auch Punkte zur Risikoreduktion für zoonotische Epidemien und Pandemien, sowie die Kontrolle zoonotischer Erkrankungen (siehe WHO Publikation). Auch das One Health European Joint Programme (OHEJP) nimmt sich der Thematik unter Beteiligung der European One Health Association an. Eine weitere Initiative ist PREZODE. Im internationalen Vergleich sei die One Health Zusammenarbeit in Deutschland bereits gut. Es bestehe eine Förderung der Zusammenarbeit in der Wissenschaft, mit der One Health Platform als Vorreiterprojekt, und Deutschland sei in zahlreiche Initiativen involviert. Nichtdestotrotz ist eine gewisse Politikinkohärenz zu beobachten, wenn man sich beispielsweise die Tierhaltung im Kontrast zu One Health Initiativen anschaut. Zudem werde die One Health Zusammenarbeit oft nur in Krisenzeiten angestrebt. Der Aufbau regulärer Strukturen und Kommunikationskanäle sei hier wichtig. Ein gutes Beispiel dafür seien die Niederlande, welche eine kontinuierliche One Health Zusammenarbeit über Ausbruchsgeschehen hinweg etabliert hätten.
Die globale Verbreitung von aviärer Influenza stellt ein Gesundheitsproblem für Wild- und Nutzgeflügel dar. Die aktuelle Gefährdungslage für Menschen bleibt umstritten, doch die zahlreichen Infektionen von Säugetieren mahnen zu erhöhter Wachsamkeit. Entsprechend wichtig ist die Erhebung guter Daten. Insbesondere im Wildtierbereich bestehen hier noch Lücken. Zudem ist eine Sektorübergreifende Zusammenarbeit im Sinne des One Health Ansatzes angezeigt, um die Gefahr für Tiere, Menschen und Ökosysteme möglichst gering zu halten.