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One Health – vom Konzept bis zur Umsetzung

One Health ist als Schlagwort in aller Munde. Doch wie genau lässt sich One Health definieren? Welche Vorteile bietet der Ansatz und wie lässt er sich in Forschung und Praxis anwenden? Diesen Fragen ging ein gemeinsamer Workshop der One Health Platform (OHP) und der Akademie für Öffentliches Gesundheitswesen am 06.06.2024 nach.

Eine einheitliche Definition als Grundlage

Was genau ist One Health? Auf diese einfach anmutende Frage gab es lange Zeit keine breit anerkannte Antwort. Mit einer Definition des One Health High Level Expert Panels (OHHLEP) aus dem Jahr 2021 wurde eine Definition geschaffen, die internationale Akzeptanz erfährt, wie Prof. Dr. Fabian Leendertz, Direktor des Helmholtz Instituts für One Health erörterte. Das weitreichende OH Konzept lasse sich auf sehr viele Bereiche anwenden und biete eine Möglichkeit zur Erreichung der Sustainable Development Goals (SDGs). Ein Anwendungsfeld, in dem der One Health Ansatz von großem Nutzen sein kann, sind zoonotische Infektionskrankheiten. Diese stellen ein weltweites Problem dar und müssten daher global gedacht werden. Große Herausforderungen des One Health Ansatzes stellen dessen Kommunikation und die Messbarmachung der Ergebnisse dar. Zudem gebe es in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Ländern, kein One Health Konzept auf Regierungsebene. 

One Health in der Forschung

Ein konkretes Beispiel wie der One Health Ansatz in der Forschung Anwendung finden kann, erläuterte Prof. Dr. Elke Hertig. Die Professorin für Regionalen Klimawandel und Gesundheit an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit. Der Klimawandel habe direkte und indirekte Auswirkungen und oft seien die Zusammenhänge multifaktoriell und daher nur interdisziplinär zu erforschen. Ein Beispiel sei der Einfluss von Klimaveränderungen auf Infektionserreger und deren Vektoren. In einem Modellierungsprojekt (MOMO-Med) untersucht ihr Team mögliche Veränderungen von Vektorvorkommen und Infektionsrisiken. Dabei zeigte sich, dass Temperatur und Niederschlag sowie die Häufigkeit von Laub- und Nadelhölzern wichtige Variablen sind. Diese würden alle langfristig durch den Klimawandel beeinflusst. Ein weiteres Untersuchungsgebiet ihrer Gruppe seien die Unterschiede zwischen ländlichen und urbanen Räumen im Hinblick auf das Zoonoserisiko (URBAN-RURAL-Zoonoses).

Prof. Hertig legte dar, dass langfristig Anpassungen an den Klimawandel zwingend nötig seien, um Gesundheitsrisiken zu reduzieren. Dafür bräuchte es intersektoral abgestimmte Präventionsmaßnahmen genauso wie Frühwarnsysteme, resiliente Public-Health-Systeme und gute Aufklärungs- und Kommunikationskonzepte.

One Health in der Praxis

Wie der One Health Ansatz Anwendung im Öffentlichen Gesundheitswesen finden kann, erörterte Dr. Merle Böhmer vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Sie stellte einen Fall aus der oberbayrischen Gemeinde Maitenbeth vor, wo es zu zwei humanen Infektionsfällen mit den Borna Disease Virus 1 (BoDV-1) kam. Als Konsequenz bildete sich ein interdisziplinäres Konsortium, welches der Fragestellung nachging, wie BoDV-1 von der Feldspitzmaus (Reservoir) auf den Menschen übertragen wird (ZooBoFo). Die veterinärmedizinische Seite widmete sich der Untersuchung der Spitzmauspopulation, der Zeckenpopulation und der phylogenetischen Untersuchung gefundener BoDV-1-Sequenzen. Die humanmedizinische Seite setzte eine sero-epidemiologische Studie (BOSPEK) auf, an der 41% der erwachsenen Bevölkerung von Maitenbeth teilnahmen. Zudem wurden Umweltuntersuchungen einbezogen. Hierbei wurden Umweltproben aus dem Wohnumfeld der BoDV-1 erkrankten Personen gesammelt und auf das Virus getestet.

BoDV-1 konnte in zahlreichen Feldspitzmäusen in der Region nachgewiesen werden. Dies gelangt in Zecken nicht. Die phylogenetischen Untersuchungen ergaben, dass zwei BoDV-1-Linien in der Region um Maitenbeth zirkulieren und dass sich die beiden Personen im Ort vermutlich an unterschiedlichen Infektionsorten infiziert haben. Die BOSPEK-Studie ergab keine Hinweise auf bereits durchgemachte BoDV-1-Infektionen bei den Studienteilnehmer und keine Hinweise auf andere Verlaufsformen als die bereits beobachteten schweren Gehirnentzündungen. Die Daten untermauern die Annahme, dass es sich um eine sehr seltene Erkrankung beim Menschen handelt.

Auch wenn viele Fragen zu BoDV-1 noch offen sind, bewährte sich laut Frau Dr. Böhmer der One Health Ansatz in dem genannten Beispiel, da alle relevanten Bereiche für das Infektionsgeschehen abgebildet werden konnten. Frau Dr. Böhmer warb daher dafür, dass Projekt als „Blaupause“ für zukünftige Ausbruchsuntersuchungen zoonotischer Infektionskrankheiten zu nehmen. Zudem konnte im Kontext des Konsortiums ein weitreichendes Kommunikationskonzept für die lokale Bevölkerung erstellt und umgesetzt werden. Dies konnte maßgeblich zur Reduzierung von Angst und Panik in der Bevölkerung beitragen und sollte ein fester Bestandteil von Ausbruchsuntersuchungen sein.

Der Workshop zeigte, dass das One Health-Konzept nicht nur ein theoretisches Konstrukt ist, sondern bereits in verschiedenen Bereichen Anwendung findet. Insbesondere bei zoonotischen Erkrankungen und bei multifaktoriellen Systemen kann die Anwendung des One Health-Konzeptes zielführend sein. Für die Anwendung ist eine einheitliche Definition des Begriffes One Health ein wichtiger erster Schritt. Eine wichtige Komponente für die breite Akzeptanz von One Health-Maßnahmen ist zudem die Kommunikation.